Das A und O des Flintenschießens - Beim eigentlichen Anschlagen bleibt die Mündung unter dem Blick; Hände und Arme bewegen die Flinte nach oben, bis der Schaft unter dem Jochbein einrastet. - © Martin Grasberger
Beim eigentlichen Anschlagen bleibt die Mündung unter dem Blick; Hände und Arme bewegen die Flinte nach oben, bis der Schaft unter dem Jochbein einrastet. © Martin Grasberger
Serie

Ob Walzertanzen, Flintenschießen oder Turmspringen – wenn man es beherrscht, sieht es eigentlich ganz einfach aus. Doch hinter der vermeintlichen Leichtigkeit stecken zumeist ein bewährtes System und viel Training. – Zweiter Teil: Vom richtigen Stand und dem sauberen Anschlag mit der Flinte.

Eine Erinnerung aus Tagen, an denen dies noch üblich war: Schnepfenstrich im Wienerwald. Die Jagdkollegen hatten mich an einem Waldsaum angestellt, der eine mit Weidelgras bewachsene Lichtung umgab. Als frisch gebackener Jungjäger war ich zwar nicht sicher, den Vogel mit dem langen Gesicht in der späten Dämmerung überhaupt zu erkennen, hatte aber nach ausgiebigem Training für die Prüfung zumindest das Flintenschießen noch einigermaßen in den Gliedern. Als der Vogelgesang schon ein Weilchen verstummt war und die ersten Sterne am Firmament funkelten, erhaschte ich im Augenwinkel den ­gaukelnden Flug eines „Stecherpaares“ links über mir, riss die Flinte in den Anschlag und löste im Mitschwingen den Schuss. Unweit meines Standes hörte ich einen dumpfen Aufschlag, und eine Minute später durfte ich ­meinen ersten Schnepf aus dem Fang eines fermen Jagdhundes nehmen. Der Moment erschien mir damals fast irreal, denn ich hätte gar nicht erklären ­können, warum ich eigentlich getroffen hatte. Im Nachhinein betrachtet waren es – abgesehen vom nötigen Quäntchen Glück – wohl drei Faktoren, die zum Treffer geführt hatten: eine physio­logisch günstige Körperhaltung, ein sauberer Anschlag und der Umstand, dass ich in der Dämmerung mit dem Lauf nur in die Richtung zeigen, nicht aber bewusst zielen konnte.

Der richtige Stand

Nicky Szápáry, dessen Wissen und langjährige Erfahrung als Schießtrainer, Wettkampfschütze und Sportwissenschafter wir in dieser Serie weitergeben dürfen, empfiehlt folglich, die einzelnen Faktoren des Flintenschusses getrennt zu betrachten und „systematisch“ zu trainieren.
„Ausgangspunkt ist eine entspannte Position mit einer etwa hüft- bis schulterbreiten Fußstellung, die ein leichtes „V“ bildet, wobei beim Rechtshänder der linke Fuß etwa zwischen 1 Uhr und 2 Uhr, der rechte Richtung 3 Uhr zeigt, wenn die Schussrichtung bei 12 Uhr liegt“, definiert Nicky die richtige Grundstellung und erklärt: „Die Kniegelenke sind entspannt bis leicht gebeugt, der Oberkörper ruht in sich, ohne ein Bemühen, sich ­besonders aufrecht zu halten, wodurch das Becken leicht nach vorne kippt und dies den Rücken im unteren Bereich – anstatt eines Hohlkreuzes – eher rund werden lässt. Es entsteht das Gefühl eines leichten Zusammensackens, ähnlich einem Boxer, der sich hinter seinen Fäusten versteckt und dadurch die ­vordere Trefffläche seines Körpers verringert. Die Gewichtsbelastung ist in der Mitte der beiden Fußsohlen, sodass man das Gefühl hat, der gesamte Körper balanciert auf seinem Knochengerüst, ohne dass ein Muskel dafür eine Haltearbeit leisten muss. Als nächster Schritt erfolgt eine Verschiebung des Gewichts auf den linken Fuß mit dem Augenmerk darauf, die Ferse (und nicht den Vorderfuß) des linken Fußes zu ­belasten (beim Linkshänder der rechte Fuß).
Die Belastung kann durchaus von 60:40 bis 80:20 zugunsten des linken Fußes betragen, wobei es später wichtig ist, sowohl bei der Anschlagbewegung als auch bei Bewegungen des Körpers keine Veränderungen in der Gewichtsverteilung zuzulassen. Durch die Verschiebung der Belastung auf das linke Bein bereitet man auch die Lage der Drehachse für eine horizontale wie auch vertikale Bewegung vor bzw. fixiert sie. Dadurch sind die Voraussetzungen für eine Bewegung gegeben, durch die letztlich der Körper wie eine Tür in ihrem Scharnier und als Folge auch die Flinte hebelnd bewegt werden.“

Das A und O des Flintenschießens - Die Füße bilden ein leichtes „V“, wobei der linke Fuß zwischen 1 Uhr und 2 Uhr, der rechte in Richtung 3 Uhr zeigt (Rechtsschütze). - © Jakob Wallner

Die Füße bilden ein leichtes „V“, wobei der linke Fuß zwischen 1 Uhr und 2 Uhr, der rechte in Richtung 3 Uhr zeigt (Rechtsschütze). © Jakob Wallner

Der richtige Anschlag

Haben wir mit dem korrekten Stand nun gleichsam ein Fundament des Flintenschusses geschaffen, können wir uns nun dem Anschlag widmen.
Bekanntlich verfügt eine Flinte lediglich über ein Korn, nicht aber über eine Kimme; gerade deshalb ist es erforderlich, die Pupille des führenden Auges bei jedem Anschlag an die exakt gleiche Position hinter der Laufschiene zu bringen. Der Flintenschütze nützt hierfür statt einer optischen Über­prüfung der richtigen Lage des Auges lediglich eine haptische – nämlich des immer gleichen „Einrastens“ des Schaftes unter dem Jochbein. Vergleichbar damit wäre beispielsweise ein geübter Tennisspieler, der den Griff des Tennisschlägers spürt und deshalb die Position der Hand nicht optisch überprüfen muss. Deshalb gelingt der Flintenschuss eben auch in der Dämmerung, wo etwa nur die Ente noch schemenhaft gegen den Himmel erkennbar, vom Lauf aber nichts mehr zu sehen ist. Das Augenmerk darf ohnehin immer nur auf das jeweilige Ziel gerichtet werden, der richtig eingerastete Anschlag gewährleistet folglich, dass der Schuss dorthin gehen wird, wohin man blickt. Letztlich fokussiert man nur noch auf das Ziel, wodurch automatisch auch der Lauf bzw. der Schuss dorthin geführt werden.
Dafür sind, neben einer für den Schützen passenden Schaftgeometrie, einige Faktoren entscheidend. Wesentlich sei die korrekte Kopfhaltung, erläutert Nicky, die bereits in der Ausgangshaltung einzunehmen sei. „Aufgrund der leichten Trapezform des menschlichen Gesichts ist es fast ­unmöglich, das Auge bei neutraler Kopfhaltung (Nase zeigt in Richtung des Laufes) in die Verlängerung hinter die Laufschiene zu bekommen. Um diesem Umstand abzuhelfen, wird der Kopf oft über den Schaft geneigt, was das Auge zwar in die richtige Lage ­bringen kann, durch das Neigen des Kopfes jedoch andere Probleme, hauptsächlich in Bezug auf die Koordinationsfähigkeit, entstehen lässt. Um die Wange, an der die Flinte schließlich unter dem Jochbein satt einrasten soll, mit dem Schaft parallel zu machen, ist es notwendig, den Kopf etwas in Richtung des Schaftes zu drehen und schließlich auch ein wenig abwärts zu nicken.
Das Resultat dieser Position des Kopfes ist, dass das Auge nun aus der Ecke zwischen Nasenwurzel und Augenbraue, leicht nach oben blickend, ­perfekt über die Laufschiene auf das jeweilige Ziel schauen kann, wobei aber die Augenachse weiterhin horizontal bleibt“, erklärt der Schießtrainer dieses wichtige Detail.

Das A und O des Flintenschießens - Um die Wange parallel mit dem Schaft zu machen, wird der Kopf leicht in Richtung Schaft gedreht und ein wenig abwärts genickt. - © Martin Grasberger
Um die Wange parallel mit dem Schaft zu machen, wird der Kopf leicht in Richtung Schaft gedreht und ein wenig abwärts genickt. © Martin Grasberger
Das A und O des Flintenschießens - Beim eigentlichen Anschlagen bleibt die Mündung unter dem Blick; Hände und Arme bewegen die Flinte nach oben, bis der Schaft unter dem Jochbein einrastet. - © Martin Grasberger
Beim eigentlichen Anschlagen bleibt die Mündung unter dem Blick; Hände und Arme bewegen die Flinte nach oben, bis der Schaft unter dem Jochbein einrastet. © Martin Grasberger
Das A und O des Flintenschießens - Vor dem Spiegel lässt sich der ­Bewegungsablauf kontrollieren. - © Martin Grasberger
Vor dem Spiegel lässt sich der ­Bewegungsablauf kontrollieren. © Martin Grasberger

Weniger ist mehr

Ausgangspunkt einer jeden Anschlagbewegung ist die sogenannte „Dreiecksposition“. Diese unterscheidet sich von der Position mit einer bereits an­geschlagenen Flinte lediglich durch die Lage der Flinte in der jagdlichen Ausgangshaltung, wo der Schaft unter dem Ellbogen bzw. Unterarm liegt, die Mündung aber bereits ihre endgültige Lage unter der Blickachse hat.
Da das Anschlagen der Flinte im Regelfall möglichst rasch zu erfolgen hat, sind hierbei alle unnötigen ­Bewegungen und Tätigkeiten zu vermeiden – es bewegen sich also lediglich Hände und Arme, der restliche Körper verharrt in der Ausgangshaltung. Der Schaft wird während des Anschlagens leicht gegen die Körpermitte gedrückt, wodurch er entlang des Körpers ­Kontakt behält und schließlich, von unten kommend, auch die Wange leicht nach oben unter das Jochbein schiebt. Der Schaft kommt beim Anschlagen zum Auge und erst sekundär zur Schulter – der erste Kontakt ist das Einrasten unter dem Jochbein, erst dann ergibt sich die Lage an der ­Schulter. Das bedeutet, dass die Lage des Schaftes in der Schulter die Folge eines korrekten Anschlagens und nicht der primäre Fokus ist.
„Die Anschlagbewegung findet, je nach Situation, entweder ohne gleichzeitige Zielverfolgung statt (zum Beispiel im Fall einer von vorn aus der Distanz anstreichenden Ente), oder diese beiden Tätigkeiten überlappen einander zeitlich (zum Beispiel ein Hase, der im rechten Winkel vorbeiläuft). Das Verfolgen des Zieles erfolgt jedoch ausschließlich durch Bewegungen aus Füßen, Beinen und in der Folge des ­gesamten Körpers, darf also die Anschlag­bewegung bzw. die Lage der Flinte im Anschlag nicht beeinflussen“, stellt Nicky Szápáry klar und weist damit auf einen häufigen Fehler hin.
Für den perfekten Anschlag empfiehlt der Profi das Trockentraining vor dem Spiegel: „Eine der besten Kontrollmöglichkeiten hat man bei Benützung eines großen Spiegels. Hier ist nun ­bereits in der Ausgangsposition (Dreiecksposition) die finale Körperhaltung wie auch die Mündung in ihrer Lage unter der Augenlinie bereits vorweggenommen. Während des Anschlagens bewegen nur noch die beiden Hände bzw. Arme den Schaft der Flinte unter das Auge. Es bewegt sich hierbei weder der Körper noch die Mündung von ihrer ursprünglichen Position unter dem Auge.“
Ob erfahrener Flintenschütze oder Einsteiger – wer sich Zeit nimmt, ­Haltung und Anschlagbewegungen vor dem Spiegel zu optimieren, gewinnt damit Sicherheit und die Sekundenbruchteile an Vorsprung, die oftmals den Treffer ausmachen.
Bevor es im nächsten Teil um das Erfassen und Verfolgen des Zieles gehen wird, wünschen wir Ihnen vergnügliche Trainingseinheiten vor dem Spiegel und auf dem Schießstand. Wer vom Meisterschützen zusätzlich per Video lernen möchte, findet unten wertvolle Tipps und Tricks.

Fortsetzung folgt!